Salon français »André Chénier – Carl Philipp Emanuel Bach. Eine musikalisch-literarische Begegnung«
André Chénier (1762–1794) gilt der Literaturgeschichte als bedeutendster französischer Lyriker des 18. Jahrhunderts, insbesondere als Vorläufer der Romantik innerhalb dieser durch klassizistische Konventionalität geprägten Epoche. Diese herausragende Stellung verdankt Chénier der authentischen Widergabe persönlichen Erlebens in seinen elegischen und bukolischen Gedichten. Überzeitliche Geltung erlangte sein Schaffen allerdings erst in einem jähen Reifungsprozess, der durch sein leidenschaftliches Engagement als wirkmächtiger anti-jakobinischer Publizist bedingt war. Der existentiellen Erfahrung von Verfolgung, Gefangenschaft und Todesnähe im Kampf gegen Tyrannei und Willkür hat er in seinen im Gefängnis vor seiner Hinrichtung entstandenen »Iambes« ebenso kämpferisch wie anrührend Ausdruck verliehen. Die hier in Simon Werles neuer deutscher Übersetzung vorgestellten Gedichte des Autors schlagen einen Bogen von seinen antikisierenden Anfängen bis zu diesem Spätwerk, in dem sich parallel zur politischen Umwälzung auch eine poetologische Revolution vollzog.
Die in unserem Programm präsentierten Klavierwerke Carl Philipp Emanuel Bachs (1714–1788) korrespondieren den Gedichten Chéniers auf eine innere Weise. Wie die frühen Gedichte Chéniers einem klassizistischen Ideal folgen, schreibt Bach auf die konventionelle Form der Folie d’Espagne 12 Variationen, die noch auf traditionell codierten musiksprachlichen Affekten basieren, aber bereits ein breites Spektrum menschlicher Gefühlszustände formulieren, in ihrem Ausdruckspotential bereits auf die Zeit der Empfindsamkeit verweisen und als Vorboten frühromantischer Ausdrucksästhetik gelten können. Die innigen Verschlingungen der Melodielinien in Les langueurs tendres entfalten eine hochemotionale, sehr ausdrucksstarke Musik, die auf kleinstem Raum eine dichte und komplexe Seelenlandschaft plastisch werden lassen. Die beiden Fantasien haben sich von der klassisch strengen Form und dem metrischen Korsett befreit und loten in ihrer Beredsamkeit die Bandbreite menschlicher Seelenzustände aus. Die abschließende freie Fantasie fis-moll, im Jahr vor Bachs Tod geschrieben, bewegt Gedanken um das Todesthema und verarbeitet ein zentrales Motiv aus der Johannespassion des Vaters (»Es ist vollbracht«).
Musik: Simon Werle (Lesung) und Irmela Roelcke (Klavier)
Irmela Roelcke verbindet in ihrer Arbeit das Konzertieren mit dem Lehren, das Ausüben mit dem Reflektieren und Vermitteln von Musik. Sie leitet in Berlin eine eigene private Klavierklasse und arbeitet an der Musikschule Charlottenburg-Wilmersdorf in der Studienvorbereitung und Begabtenförderung. Zudem wird sie immer wieder als Dozentin an die Hochschulen Hanns Eisler Berlin, Frankfurt am Main, Hannover, Luzern und Saarbrücken sowie die Universität der Künste Berlin eingeladen.
Simon Werle, geb. 1957 in Freisen im Saarland, ist Übersetzer zahlreicher klassischer Bühnenwerke und französischer Lyrik und Autor von Romanen und Theaterstücken.
Tickets gibt es im VVK bei der Tourist-Information und in der Eckermann-Buchhandlung oder an der Abendkasse
Der Salon français ist ein Format des Institut français Thüringen für Veranstaltungen zur französischen Sprache und Kultur. Vortrag und Lesung finden jedoch überwiegend in deutscher Sprache statt mit einigen Ausschnitten auf Französisch, die ins Deutsche übersetzt werden.
Eine Kooperation zwischen der Literarischen Gesellschaft Thüringen e.V. und dem Institut français Thüringen.
André Chernier. Abb. Beaux-Arts de Carcassonne / Wikimedia/Commons